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Der Sohn des Bärenjägers - ebook
Der Sohn des Bärenjägers - ebook
Martin Baumann, der Sohn des Bärenjägers macht sich auf die Suche nach seinem von den Sioux entführten Vater. Der dicke Jemmy, der eigendlich Jakob Pfefferkorn heißt, und der lange Yankee David Kroners kommen dem jungen Indianer Wokadeh zur Hilfe, der schließlich Martin Baumann berichtet, dass dessen Vater, ein berühmter Bärenjäger, von den Sioux-Oglala gefangen wurde und ihm die Marter droht. Glücklicherweise helfen ihm und seinen Gefährten Old Shatterhand und Winnetou. Mit ihrer Art machen sie sich die Krähenindianer und die Schoschonen zu Freunden, die mit ihnen zur Befreiung des Bärenjägers reiten. Sie beschließen, den Mann zu retten und machen sich auf den Weg zum Yellowstone.
Kategoria: | Classic Literature |
Język: | Inny |
Zabezpieczenie: |
Watermark
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ISBN: | 978-83-8136-513-0 |
Rozmiar pliku: | 2,5 MB |
FRAGMENT KSIĄŻKI
Wohkadeh
Nicht viel westwärts von der Gegend, in welcher die Ecken der drei nordamerikanischen Staaten Dakota, Nebraska und Wyoming zusammenstoßen, ritten zwei Männer, deren Erscheinen an einem anderen als diesem westlichen Orte ganz sicher ein sehr berechtigtes Aufsehen erregt hätte.
Sie waren von sehr verschiedener Körpergestalt. Weit über sechs Fuß hoch, war die Figur des einen fast beängstigend dürr, während der andere bedeutend kleiner, dabei aber so dick war, daß sein Leib beinahe die Gestalt einer Kugel angenommen hatte.
Dennoch befanden sich die Gesichter der beiden Jäger in gleicher Höhe, denn der Kleine ritt einen sehr hoch gebauten, starkknochigen Klepper, und der andere saß auf einem niedrigen, scheinbar schwachen Maultiere. Daher kam es, daß die Lederriemen, welche dem Dicken als Steigbügel dienten, nicht einmal die Bauchlinie des Pferdes erreichten, während der Lange gar keiner Bügel bedurfte, denn seine großen Füße hingen so weit herab, daß es von ihm nur einer kleinen, seitlichen Bewegung bedurfte, um mit dem einen oder dem anderen Fuße den Boden zu erreichen, und zwar ohne dabei aus dem Sattel zu kommen.
Freilich war von einem wirklichen Sattel bei beiden keine Rede, denn derjenige des Kleinen bestand sehr einfach aus dem Rückenstücke eines erlegten Wolfes, an welchem das Fell gelassen worden war, und der Dürre hatte eine alte Santillodecke untergelegt, welche aber so arg zerfetzt und zerrissen war, daß er eigentlich auf dem bloßen Rücken seines Maultieres saß.
Wenn schon dieser Umstand andeutete, daß die beiden einen langen und beschwerlichen Ritt hinter sich hatten, so wurde diese Vermutung durch das Aussehen ihrer Anzüge auf das unwiderleglichste bestätigt.
Der Lange trug eine Lederhose, die jedenfalls für einen viel stärkeren Mann zugeschnitten und gefertigt worden war. Sie war ihm viel, viel zu weit. Unter dem abwechselnden Einflusse von Wärme und Kälte, von Trockenheit und Regen war sie außerordentlich eingegangen und zusammengeschrumpft, leider aber nur in Beziehung auf ihre Länge, und so kam es, daß die unteren Säume der Hosenbeine dem Träger kaum bis über die Kniee reichten. Dabei zeigte die Hose einen ungemein fettigen Schimmer, was einfach darin begründet war, daß der Besitzer derselben sie bei jeder Gelegenheit als Handtuch und Serviette benutzte und alles, was er nicht an den Fingern dulden mochte, an dem Beinkleide abzuwischen pflegte.
Die nackten Füße steckten in ganz unbeschreiblichen Lederschuhen. Sie hatten ganz das Aussehen, als ob sie bereits von Methusalem getragen worden seien und als ob seitdem ein jeder Besitzer einige Lederstücke aufgeflickt habe. Ob sie je einmal Schmiere oder gar Wichse gesehen hatten, das war ganz unmöglich zu bestimmen, ja kaum zu ahnen, da sie in allen sieben Regenbogenfarben schimmerten.
Der hagere Leib des Reiters steckte in einem ledernen Jagdhemde, welches weder Knopf noch Heftel hatte und also die braune Brust unbedeckt ließ. Die Aermel reichten nur wenig bis über die Ellbogen vor, von wo aus die sehnigen, fleischlosen Vorderarme zu sehen waren. Um den langen Hals hatte der Mann ein baumwollenes Tuch geschlungen. Ob es früher einmal weiß oder schwarz, grün oder gelb, rot oder blau gewesen war, das wußte der Besitzer selbst nicht mehr.
Das Kapitalstück des Anzugs war jedenfalls der Hut, der auf dem hohen, spitzen Kopfe saß. Er war früher einmal grau gewesen und hatte diejenige Gestalt gehabt, welche von unehrerbietigen Leuten »Façon Angströhre« genannt wird. Vielleicht hatte er vor undenkbaren Zeiten den Kopf eines englischen Lords gekrönt; dann aber war er auf der Schicksalsleiter unaufhörlich abwärts gestiegen und endlich in die Hände des Prairiejägers gekommen. Dieser besaß nun keineswegs den Geschmack eines Lords von Altengland; er hielt die Krempe für sehr überflüssig und hatte sie daher einfach abgerissen. Nur vom hatte er ein Stück gelassen, teils zur Beschattung seiner Augen und teils als Handhabe, um die Kopfbedeckung bequem abnehmen zu können. Außerdem hatte er die Meinung, daß der Kopf eines Prairiemannes auch der Luft bedürfe, und so hatte er mit seinem Bowiemesser verschiedene Stiche in den Deckel und die Seiten des Hutes gemacht, so daß nun im Inneren desselben der West- und Ost-, der Nord- und Südwind einander »guten Tag« sagen konnten.
Als Gürtel trug der Lange einen ziemlich dicken Strick, den er einigemal um seine Taille geschlungen hatte. In demselben steckten zwei Revolver und das Bowiemesser. Außerdem hingen daran der Kugelbeutel, eine Tabaksblase, eine zusammengenähte Katzenhaut, zur Aufnahme des Mehles bestimmt, das Prairiefeuerzeug und noch verschiedene andere Gegenstände, deren Bestimmung für jeden Uneingeweihten ein Rätsel war. Auf der Brust ruhte, an einem Riemen hängend, die Tabakspfeife – aber was für eine! Sie war das eigene Kunstwerk des Jägers, und da er sie schon längst bis vor an den Kopf abgebissen hatte, so bestand sie jetzt nur noch aus dem letzteren und einem Hollunderstück, aus welchem das Mark entfernt worden war, um es hohl zu machen. Der Lange hatte nämlich als sehr leidenschaftlicher Raucher die Gewohnheit, das Rohr zu kauen, wenn ihm einmal der Tabak für längere Zeit ausgegangen war.
Zu seiner Ehrenrettung muß bemerkt werden, daß sein Anzug nicht etwa nur aus den Schuhen, der Hose, dem Jagdhemde und dem Hute bestand. O nein; er trug außerdem noch ein Stück, welches sich nicht jedermann beschaffen kann, nämlich einen Gummimantel, und zwar einen echt amerikanischen, nämlich von der Sorte, welche gleich beim ersten Regen auf die halbe ursprüngliche Länge und Weite zusammenschrumpft. Weil er ihn aus diesem höchst einfachen Grunde nicht mehr anziehen konnte, hatte er ihn wie eine Husarenjacke höchst malerisch an einer Schnur um die Schultern gehängt. Außerdem trug er ein zusammengeschlungenes Lariat (Lasso), weiches von seiner linken Achsel nach der rechten Hüfte herabhing.
Vor sich, quer über die Beine gelegt, hatte er eine Büchse in der Hand, eine jener langen Rifles, mit denen der erfahrene Jäger niemals sein Ziel verfehlt.
Wie alt dieser Mann war, das konnte man ihm unmöglich ansehen. Sein hageres Gesicht zeigte unzählige Falten und Fältchen, und doch hatte es einen beinahe jugendlichen Gesamtausdruck. Aus jedem Fältchen schien ein Schälkchen, aus jeder Falte ein Schalk herauszublicken. Das Gesicht war trotz dieser Runzeln und Runzelchen und trotz der unwirtlichen Gegend, in welcher er sich befand, vollständig glatt rasiert, denn es gibt viele, sehr viele Westmänner, welche gerade darin ihren Stolz suchen. Die großen, himmelblauen, weit geöffneten Augen hatten jenen scharfen Blick, den man bei Seeleuten und Bewohnern weiter Ebenen zu beobachten pflegt, und doch hätte man diesen Blick gern mit dem Ausdrucke »kindlich-treu« bezeichnen mögen.
Das Maultier war, wie bereits erwähnt, nur scheinbar schwach; es trug den schweren, knochigen Reiter mit Leichtigkeit und zeigte zuweilen sogar Lust, gegen den Willen des letzteren einen kurzen Strike in Scene zu setzen, wurde dann aber allemal so kräftig zwischen die ewig langen Schenkel des Gebieters genommen, daß es den Widerstand schnell aufgab. Diese Tiere sind wegen ihres sicheren Schrittes beliebt, aber auch bekannt wegen ihrer Neigung zur störrischten Widersetzlichkeit.
Was nun den anderen Reiter betrifft, so mußte es bei der Glut, mit welcher die Sonne niederbrannte, auffallen, daß er einen Pelz trug. Freilich wenn durch irgend eine Bewegung des Dicken dieser Pelz einmal zurückgeschlagen wurde, so zeigte es sich, daß der letztere ganz bedenklich an hochgradiger Haarlosigkeit litt. Es gab nur stellenweise ein kleines, lichtes Büschel, gerade so wie in der unendlichen Wüste nur hier und da eine arme Oase anzutreffen ist. Selbst Kragen und Aufschläge waren so sehr gelichtet, daß es mehr als thalergroße nackte Stellen gab. Unter diesem Pelze blickten rechts und links riesige Aufschlagestiefeln hervor. Auf dem Kopfe trug der Mann einen breitrandigen Panamahut, der ihm viel zu weit war, so daß er ihn, um nur aus den Augen sehen zu können, weit in das Genick hinunterschieben mußte. Die Aermel des Pelzes waren so lang, daß man die Hände nicht sehen konnte. So war also das Gesicht des Reiters das einzige, was man von ihm sah; aber dieses Gesicht war es auch wert, daß man es genau betrachtete.
Es war auch glatt rasiert; keine Spur von Bart war zu sehen. Die roten Wangen waren so voll, daß das Näschen nur einen fast erfolglosen Versuch machen konnte, zwischen ihnen zur Geltung zu kommen. Ebenso erging es den kleinen, dunklen Aeuglein, die zwischen Brauen und Wangen tief versteckt lagen. Ihr Blick hatte einen gutherzig-listigen Ausdruck. Ueberhaupt stand auf dem ganzen Gesicht geschrieben: »Schau mich 'mal an! Ich bin ein kleiner, prächtiger Kerl, und mit mir ist sehr gut auszukommen; aber brav und verständig mußt du sein, sonst hast du dich in mir verrechnet. Verstanden!«
Jetzt kam ein Windstoß und trieb dem Kleinen den Pelz vorn auseinander. Da konnte man sehen, daß er unter demselben eine blauwollene Hose und eine ebensolche Bluse trug. Um seine starke Taille war ein Ledergürtel geschnallt, in welchem außer den Gegenständen, welche auch der Lange besaß, auch ein indianischer Tomahawk steckte. Den Lasso hatte er vom am Sattel hängen und dabei eine kurze, doppelläufige Kentuckybüchse, der man es ansah, daß sie schon in gar manchem Kampfe als Angriffs- oder Verteidigungswaffe gedient hatte.
Und wer waren diese beiden Männer? Nun, der Kleine hieß Jakob Pfefferkorn und der Lange führte den Namen David Kroners. Hätte man irgend einem Westmanne, einem Squatter oder Trapper diese beiden Namen genannt, so hätte er kopfschüttelnd gesagt, daß er von den zwei Jägern noch nie ein Wort gehört habe. Und doch wäre das gegen alle Wahrheit gewesen, denn sie waren gar berühmte Pfadfinder, und an manchem Lagerfeuer hatte man sich seit Jahren von ihren Thaten erzählt. Es gab keinen Ort von New York bis Frisco (San Francisco) und von den Seen im Norden bis an den mexikanischen Meerbusen, an welchem nicht das Lob dieser berühmten Savannenmänner erschollen war. Freilich, Jakob Pfefferkorn und David Kroners, diese Namen waren nur ihnen selbst geläufig. In der Prairie, im Urwalde und nun besonders bei den Rothäuten wird nicht nach dem Geburts- und Taufschein gefragt; da erhält ein jeder sehr bald einen Namen, der seinen Erlebnissen oder Eigenschaften entspricht und auch sehr bald weiter verbreitet wird.
Kroners war ein Vollblut-Yankee und wurde nicht anders als der »lange Davy« genannt. Pfefferkorn stammte aus Deutschland und wurde nach seinem Vornamen Jakob und seiner Körperform nur der »dicke Jemmy« genannt. Jemmy ist nämlich der englische Ausdruck für Jaköbchen.
Also Davy und Jemmy, unter diesen beiden Namen waren sie überall bekannt, und man hätte im fernen Westen wohl selten einen Menschen getroffen, der nicht imstande gewesen wäre, die eine oder andere Heldenthat von ihnen zu erzählen. Sie galten als unzertrennlich. Wenigstens gab es keinen, der sich hätte besinnen können, einen von ihnen einmal allein gesehen zu haben. Trat der Dicke an ein fremdes Lagerfeuer, so schaute man ganz unwillkürlich auch sogleich nach dem Langen aus, und kam Davy in ein Store, um sich Pulver und Tabak zu kaufen, so wurde er sicherlich gefragt, was er für Jemmy mitnehmen wolle.
Ebenso unzertrennlich fühlten sich auch die beiden Tiere dieser Westmänner. Der große Klepper hätte wohl trotz allen Durstes an keinem Bache oder Flusse getrunken, wenn nicht zugleich mit ihm das kleine Maultier den Kopf zum Wasser niedergebeugt hätte, und dieses letztere wäre selbst im schönsten, saftigsten Grase mit erhobenem Kopfe stehen geblieben, wenn nicht der erstere es vorher leise angeschnaubt hätte, als ob er flüstern wolle: »Du, sie sind abgestiegen und braten sich ihre Büffellende; nun wollen auch wir frühstücken, denn vor dem späten Abend setzt es ganz gewiß nichts mehr! «
Und nun gar sich in irgend einer Not verlassen, das fiel den beiden Tieren gar nicht ein. Ihre Herren hatten einander schon viele, viele Male das Leben gerettet. Einer stürzte sich für den anderen ohne alles Bedenken in die größte Gefahr. So hatten auch die Tiere einander oft beigestanden, wenn es galt, den Kameraden herauszubeißen, oder mit den kräftigen, scharfen Hufen gegen einen Feind zu verteidigen. Die Vier, Menschen sowohl als Tiere, gehörten eben zusammen; sie wußten es gar nicht anders.
So trabten sie jetzt fröhlich in nördlicher Richtung dahin. Am Morgen hatte es für Pferd und Maultiere Wasser und saftige Weide und für die beiden Jäger Wasser und die Keule eines Hirsches gegeben. Den Rest des Fleisches trug der Klepper, so daß an eine große Hungersnot nicht zu denken war.
Unterdessen hatte die Sonne den Zenith erreicht gehabt und war dann langsam tiefer gesunken. Es war zwar sehr heiß, aber es wehte ein erfrischender Windhauch über die Prairie, und der von Myriaden von Blumen durchwirkte Büffelgrasteppich zeigte noch lange nicht die braune, verbrannte Farbe des Herbstes, sondern sein frisches Grün erquickte das Auge, und die über die weite, weite Ebene zerstreuten, in Form von einzelnen riesigen Kegeln sich erhebenden Felsenberge wurden von den schräg herabfallenden Strahlen der Sonne in brillanter Weise beleuchtet und glänzten auf ihren westlichen Seiten in glühender Farbenpracht, welche nach Osten hin sich in immer tiefere, dunklere Töne verlief.
»Wie weit reiten wir heute noch?« fragte der Dicke, nachdem sie stundenlang kein Wort gesprochen hatten.
»So weit wie alle Tage,« antwortete der Lange.
»Well!« lachte der Kleine. »Also bis zum Lagerplatz.«
»Ay!«
Master Davy hatte nämlich die Eigentümlichkeit stets Ay anstatt Yes zu sagen.
Wieder verging eine Weile. Jemmy hütete sich sehr, durch eine weitere Frage sich abermals eine solche Antwort zu holen. Er betrachtete den Kameraden zuweilen mit seinen listigen Aeuglein und wartete die Gelegenheit zur Rache ab. Endlich wurde die Stille dem Langen doch zu drückend. Er deutete mit der Rechten hinaus in die Richtung, welcher sie folgten, und fragte:
»Kennst du diese Gegend?«
»Sehr!«
»Nun? Was ist's?«
»Amerika!«
Der Lange zog unmutig die langen Beine empor und gab seinem Maultiere einen Hieb. Dann meinte er:
»Schlechter Kerl!«
»Wer?«
»Du!«
»Ah! Ich? Wieso?«
»Rachsüchtig!«
»Gar nicht. Ich pflege nur in dem Tone fortzufahren, in welchem man mit mir gesprochen hat. Gibst du mir dumme Antworten, so sehe ich ganz und gar nicht ein, warum ich geistreich sein soll, wenn du mich fragst.«
»Geistreich? O wehe! Du und geistreich! Du bestehst so sehr aus Fleisch, daß der Geist gar keinen Platz haben würde.«
»Oho! Hast du vergessen, was ich durchgemacht habe, drüben im alten Lande?«
»Eine Klasse des Gymnasiums? ja, das weiß ich noch. Das kann ich überhaupt niemals vergessen, denn du erinnerst mich täglich wenigstens dreißigmal daran. «
»Das ist auch notwendig. Eigentlich sollte ich es täglich vierzig- oder fünfzigmal erwähnen, da ich ein Mann bin, vor dem du gar nicht genug Hochachtung haben kannst. Uebrigens habe ich nicht nur eine Klasse absolviert! «
»Nein, drei.«
»Also!«
»Für das Weitere reichte aber der Verstand nicht aus – «
»Sei still! Das Geld wurde alle; Verstand hätte ich mehr als genug gehabt. Uebrigens weiß ich sehr wohl, was du vorhin meintest. Diese Gegend werde ich nicht vergessen. Weißt du, da drüben hinter den Höhen lernten wir uns kennen.«
»Ay! Das war ein schlimmer Tag. Ich hatte all mein Pulver verschossen und wurde von den Sioux gejagt. Ich konnte schließlich nicht weiter und sie schlugen mich nieder. Am Abend aber kamst du.«
»Ja, die dummen Kerls hatten ein Feuer angebrannt, welches man droben in Kanada hätte sehen können. Ich bemerkte es und schlich mich hinan. Ich sah fünf Sioux, welche einen Weißen gefesselt hatten. Na, ich hatte mich nicht verschossen wie du. Zwei schoß ich nieder und drei entflohen, weil sie nicht ahnten, daß sie es nur mit einem einzelnen zu thun hatten; du warst frei.«
»Frei war ich freilich, aber auch grimmig zornig auf dich!«
»Darüber, daß ich die beiden Indsmen nicht erschossen sondern nur verwundet hatte, ja. Aber ein Indsman ist auch ein Mensch, und es kann mir niemals einfallen, einen Menschen zu töten, wenn es nicht partout notwendig ist. Ich bin eben ein Deutscher und kein Kannibale! «
»Aber bin ich etwa ein solcher?«
»Hm!« brummte der Dicke. »Jetzt bist du freilich anders als früher. Da hattest du wie so viele andere die Ansicht, daß man die Roten nicht schnell genug ausrotten könne. Ich hab' dich geradezu zu meiner Meinung bekehren müssen.«
»Ja, ihr Deutsche seid ganz eigenartige Kerls. Mild, weich wie Butter, und nachher wenn es sein muß, so stellt ihr euren Mann wie sonst einer. Ihr möchtet alle Welt mit Handschuhen von Samt anfassen und doch schlagt ihr gleich mit dem Kolben drein, wenn ihr meint, daß ihr euch endlich wehren müßt. So seid ihr alle und so bist auch du.«
»Und ich freue mich, daß es gerade so ist und nicht anders. Aber schau, dort scheint ein Strich durch das Gras zu gehen.«
Er hielt sein Pferd an und deutete nach einem Felsen hinüber, an dessen Fuß eine lange, dunkle Linie durch das Gras vorüberführte.
Auch Davy parierte sein Pferd, beschattete die Augen mit der einen Hand und musterte die betreffende Stelle, dann sagte er:
»Du sollst mich zwingen dürfen, einen Zentner Flintenkugeln ungebraten zu essen, wenn dies nicht eine Fährte ist.«
»Auch ich halte es dafür. Wollen wir uns das Ding einmal genauer betrachten, Davy?«
»Wollen? Wer spricht vom Wollen, wenn man muß? In dieser alten Prairie ist man gezwungen, an keiner Spur leichtsinnig vorüber zu gehen. Man muß stets wissen, wen man vor oder hinter sich hat, sonst kann es leicht geschehen, daß man früh tot aufsteht, wenn man sich am Abend lebendig in das Gras gelegt hat. Vorwärts also!«
Sie ritten bis an den Felsen hin und blieben dort halten, die Fährte mit Kenneraugen musternd.
»Was sagst du dazu?« fragte Davy.
»Eine Fährte natürlich!« lachte der Dicke.
»Ja, ein Turmseil ist's freilich nicht; das sehe ich auch. Aber was für eine Art von Fährte?«
»Von einem Pferde. «
»Hm! Das sieht ein jedes Kind. Oder meinst du etwa, ich sei der Ansicht, daß hier ein Walfisch vorübergeschwommen sei?«
»Nein, denn dieser Walfisch könntest nur du gewesen sein, und von dir weiß ich ja ganz genau, daß du nicht von meiner Seite gekommen bist. Uebrigens kommt mir diese Spur sehr verdächtig vor.«
»Warum?«
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