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Der weiße Wolf - ebook

Data wydania:
15 września 2019
Format ebooka:
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Der weiße Wolf - ebook

Max Brand (1892–1944), war ein US-amerikanischer Schriftsteller und gilt als einer der wichtigsten und bekanntesten Western-Autoren des 20. Jahrhunderts. Max Brand erzählt sachkundig und mit viel Gefühl die Geschichte eines Bull terriers(der weiße wolf),der in den Rocky Mountains bei Wölfen aufwächst. Es wird der Überlebenskampf des Hundes bis zur Rückehr zu den Menschen beschrieben. Nicht nur für Bullterrier – Freunde, sondern für alle Hundefreunde ein sehr schönes Geschenk. Es ist wie eine schöne Weihnachtsgeschichte im Winter vor dem Kamin. Ein schönes Buch das den Leser bis zur letzten Seite in seinen Bann zieht!

Kategoria: Classic Literature
Język: Inny
Zabezpieczenie: Watermark
Watermark
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ISBN: 978-83-8148-425-1
Rozmiar pliku: 2,6 MB

FRAGMENT KSIĄŻKI

1. Kapitel

In einer der oberen Schluchten des Winnemago-River traf Gannaway zum erstenmal mit dem Riesen zusammen. Gannaway selbst war kein Zwerg. Unter sengender Sommersonne, im zerrenden Wintersturm über die Rocky Mountains zu wandern, hatte ihm Muskeln von Eisen gegeben. Man brauchte nur in Adam Gannaways Gesicht zu sehen, dann wußte man, daß diesem Manne der schlimmste Schneesturm ebensowenig anhaben konnte wie alle Schrecken der Wildnis. Seine Beschäftigung als Meteorologe ließ ihn jahrein, jahraus nicht zur Ruhe kommen. In seinem Wanderleben gab es niemals eine Pause, und da er ein nachdenklicher und stiller Mensch war, der gern und immer andere Bahnen ging als seine Mitmenschen, fühlte er sich oben in der Einöde der Berge am behaglichsten. Hier konnte man die Ellbogen gemütlich auf den Tisch stemmen. Fern von seinen Bergen war Gannaway ein befangener und ungeschickter Bursche.

Ein großer Jäger war er auch, unser Adam Gannaway, obwohl er sehr viel lieber mit der Kamera auf die Jagd ging als mit der Büchse. Das Ergebnis war, daß er vom Wesen der wilden Tiere mehr wußte als irgendeiner weit und breit. Aber all das verhinderte nicht, daß er bei seinem ersten Zusammentreffen mit Tucker Crosden sich wie ein verweichlichter Städter vorkam, der sich unversehens dem drohenden Antlitz der Natur gegenüber sieht. Der Stab, mit dem Tucker Crosden einherschritt, war schwer mit Eisen beschlagen und von solcher Länge und Dicke, daß Gannaway an die alten Sagen erinnert wurde. Gannaway hatte gewiß sehnige Arme, aber er hätte diesen Stab nicht einmal auf einem einzigen Tagesmarsch mit sich schleppen mögen. Die Finger des Riesen aber spielten damit wie mit einer dünnen Weidenrute. Von Zeit zu Zeit ließ er den furchtbaren Knüttel auf die Rippen eines kleinen Esels niedersausen, der mühsam und eilfertig vor ihm her kletterte. Jeder Schlag, der das geduldige Wesen traf, ließ Striemen zurück. Gemessen an der riesigen Größe seines Herrn sah der Esel wahrhaftig aus wie ein Schoßhündchen, nicht wie ein Lasttier.

Das Bündel, das er schleppte, war so schwer und das Tier so erschöpft von dem langen, mühsamen Marsch die steile Winnemago-Schlucht hinauf, daß ihm der Riese schließlich doch eine Rast bewilligte. Als sie Gannaway erreicht hatten, machte das Eselchen mit weitgespreizten Beinen halt.

In den San Jacinto-Bergen war die Gesellschaft eines Menschen so selten wie süße Musik und ein Erlebnis, nach dem man sich noch weitaus tiefer sehnte. Trotzdem war Gannaway nach kurzer Musterung überzeugt, daß der Mann seinen Weg fortgesetzt hätte, ohne ihm auch nur einen Gruß zu gönnen, wenn der Packesel besser bei Kräften gewesen wäre. Der Fremde warf dem Meteorologen einen mißtrauischen Blick zu, murmelte etwas Unverständliches, was ein Gruß sein konnte und fuhr dann fort:

»Habt Ihr was zu 'ner Zigarette bei Euch, Fremder?« Gannaway reichte ihm ein Heftchen braunes Zigarettenpapier und ein Restchen Durham-Tabak, das gerade noch den Boden des Leinwandsäckchens bedeckte. Dann sah er mit Erstaunen, wie die klobigen, dicken Finger des andern sich mühten, eine Zigarette zu rollen. Crosden vergeudete keine Zeit mit Dankesworten. Sobald die Zigarette brannte, trat er zu dem Packtier und hob aus einem der Tragkörbe einen mächtigen Bullterrier – ein Weibchen. Das Tier war hoch trächtig, und als Crosden es auf den Boden setzte, wurde es deutlich, daß seine schwere Stunde rasch heranrückte. Gannaway sah zu und wunderte sich, daß ein Mann wie der, der jetzt vor ihm stand, seinem einzigen Lasttier noch den Ballast eines Hundes aufgebürdet hatte.

Der Riese folgte der Hündin bis zum Fluß und beobachtete mit nachdenklich gerunzelter Stirn, wie sie das Wasser schlappte. Als sie fertig war – das Ufer stieg vom Wasser her steil an –, nahm er sie fürsorglich auf den Arm und trug sie auf den Weg hinauf. Das Tier stellte die Ohren auf und dankte ihm mit einem kurzen Wedeln. Dann strolchte es langsam durch das Gras davon.

Gannaway war verblüfft. Je länger es währte, desto größer wurde sein Erstaunen. Gewiß, was er mit angesehen hatte, war nicht mehr, als jeder warmherzige Mensch für einen Hund in diesem Zustand getan hätte, aber diesem Riesen warmes, menschliches Empfinden zuzuschreiben, schien ebenso töricht, wie Erbarmen bei einem Berglöwen zu suchen oder Wohltätigkeit bei einem Bären. Im übrigen hatte er den Eindruck, daß es nicht so sehr einem augenblicklichen Überschwang des Gefühls, sondern einem wohlüberlegten Plan zuzuschreiben war, wenn der klotzige Bursche so viel Fürsorge an den Hund verschwendete. Man konnte etwa annehmen, daß ihm eine große Belohnung dafür in Aussicht gestellt war, wenn er die Hündin sicher über die Berge brachte.

»Ein Prachtexemplar!« sagte Gannaway.

Der Grobian warf einen schiefen Blick zu ihm hinüber.

»So?« knurrte er gereizt und fuhr fort, düsteren Auges dem Tier bei seinem Hin und Her zu folgen.

Freilich war Gannaway kein Sachverständiger für Bullterriers, aber er war ein guter Kenner aller Wesen mit vier Beinen und wußte nicht nur über die Anforderungen Bescheid, die man im allgemeinen an Rassehunde stellt, sondern auch über den idealen Hund, der der stille Traum des Bulldoggenzüchters ist. Gannaway musterte das Tier noch einmal und mit größter Sorgfalt. Er betrachtete es von vorne und von hinten, von der Seite und von oben und konnte keinen Makel an ihm finden.

»Donnerwetter!« sagte er. »Wenn die Hündin nicht das Zeug zu einem ersten Preis in sich hat, will ich ein Narr sein!«

»Ihr seid nicht der einzige Narr auf der Welt!« meinte sein Gegenüber und wartete tückisch gesenkten Blicks, ob Gannaway bereit sei, den Fehdehandschuh aufzunehmen. Als der aber seine Ruhe bewahrte, ließ der Riese sich herbei, hinzuzufügen: »Aber es stimmt schon. Es ist ein preisgekröntes Tier.«

Gannaways Neugier war hellwach. In unserer Zeit der Degeneration wachsen erstklassige Bullterriers nicht auf jedem beliebigen Busch. Noch weniger ist man geneigt anzunehmen, daß eine preisgekrönte Hündin ihrer schweren Stunde ausgerechnet in der Wüstenei der San Jacinto-Berge entgegensieht, wo die armen blinden Hündchen, die immerhin einige hundert Dollars Wert repräsentieren, der Gnade und Ungnade der Winterstürme ausgeliefert sind.

»Wo hat sie ihren Preis bekommen? Wie heißt sie denn?« erkundigte sich Gannaway.

Der Riese drehte ihm den Rücken.

»Es ist Zeit, daß wir weiterkommen, Nell. Hierher, Nell!«

Die Hündin gehorchte augenblicklich, kam schwerfällig herangetrabt und wartete zu Füßen ihres Herrn gelassen auf weitere Befehle. Gannaway wurde es bei dem Anblick warm ums Herz, so unverschämt der ungeschlachte Bursche auch zu ihm gewesen war. Just in diesem Augenblick war sein Gegenüber mit seiner Zigarette zu Ende. Es drehte sich halb zu Gannaway herum und fragte über die Achsel: »Habt Ihr das Zeug zu 'ner zweiten?«

»Nein«, sagte Gannaway, »das war mein letzter Tabak.«

»Schon gut,« sagte der Riese, »ich bin auch mit Pfeifentabak zufrieden.«

»Der ist mir auch ausgegangen. Kein Krümelchen mehr ist übrig.«

Der Kerl starrte ihn ungläubig an, aber Gannaways blaue Augen waren die Aufrichtigkeit selbst. So machte sich Crosden in einem ungeheuerlichen Fluch Luft.

»Aber«, knurrte er, »Ihr habt doch nicht Euren letzten Tabak weggeschenkt?«

»Ich kann mich auch ohne Tabak behelfen. Ich hab's schon oft getan«, sagte Gannaway.

Der Grobian sah sich hilflos im Kreise um, als suche er beim Wind, bei der Sonne und den harten Felsen ringsumher vergeblich die Erklärung für eine Freigebigkeit so fürstlicher Art. Dann kam ihm, wie sein Gesicht verriet, ein anderer Einfall, eine Folgerung, gegen die er aus Leibeskräften kämpfte, die sich aber bei ihm zum Trotz behauptete.

»Kreuzhimmeldonnerwetter, Mann!« bellte er plötzlich. »Ihr müßt von der richtigen Sorte sein!«

Und seine kleinen Augen bohrten sich schweigend in Gannaway, als sei es etwas ganz Unerhörtes, in einem Mitmenschen inneren Anstand zu entdecken – als sei es ein Geheimnis, das allem Dagewesenen ins Gesicht schlug und sich ganz einfach nicht begreifen ließ.

»Habt Ihr 'ne Pfeife bei Euch?« fragte er schließlich.

»Jawohl.«

»Dann – stopft sie Euch!«

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