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Orangen und Datteln - ebook
Orangen und Datteln - ebook
„Orangen und Datteln” vereinigt in sich einige der Reiseerzählungen Karl May’s. Dies ist ein Sammelband mit Kurzerzählungen des berühmten Autors. Enthalten sind: „Die Gum”, „Christus oder Muhammed”, „Der Krumir”, „Eine Ghasuah”, „Nûr es Semâ – Himmelslicht”, „Christi Blut und Gerechtigkeit”, „Mater dolorosa”, „Der Verfluchte”. „Orangen und Datteln” zählt zu dem Frühwerk Karl Mays und wurde vor den eigentlichen Orienterzählungen veröffentlicht.
Kategoria: | Classic Literature |
Język: | Inny |
Zabezpieczenie: |
Watermark
|
ISBN: | 978-83-8136-539-0 |
Rozmiar pliku: | 2,6 MB |
FRAGMENT KSIĄŻKI
Die Gum
1. Djezzar-Bei, der Menschenwürger.
2. Assad-Bei, der Herdenwürger.
3. Hedjahn-Bei, der Karawanenwürger.
4. Behluwan-Bei, der Räuberwürger.
Christus oder Muhammed
I. Kapitel
II. Kapitel
III. Kapitel
IV. Kapitel
Der Krumir
1. Saadis el Chabir.
2. Abu 'l Afrid.
3. Ruhh es Sebcha.
Eine Ghasuah
1. Abu djom.
2. Abu el mawadda.
Nûr es Semâ - Himmelslicht
1. Nûr esch Schems.
2. Nûr el Hilal.
3. Nûr es Semâ.
4. Christi Blut und Gerechtigkeit.
Mater Dolorosa
1. Fatima Marryah.
2. Yussuf Ali.
3. Hussein Isa.
4. Es Salib.
Der Verfluchte
1. I. Kapitel
2. II. Kapitel
3. III. KapitelDie Gum
1.
Djezzar-Bei, der Menschenwürger.
Afrika! –
Sei mir gegrüßt, du Land der Geheimnisse! Ich soll auf edlem Rosse deine kahlen, leeren Steppen, auf flüchtigem Dromedare deine gluterfüllte Hammada durchreiten, soll unter deinen Palmen wandeln, deine Spiegelung schauen und auf grünender Oase an deine Vergangenheit denken, deine Gegenwart betrauern und von deiner Zukunft träumen.
Sei mir gegrüßt, du Land des Sonnenbrandes, des tropischen Pulses und des physischen Gigantentumes! Ich habe im eisigen Norden deine Wärme gefühlt, dem wunderbaren Klange deiner Märchen gelauscht und das ferne Rauschen der Psalmen vernommen, die deine überwältigende Natur zum Himmel braust. Da brandete das Meer der Springböcke über die Ebene; das Flußpferd weidete tief unter dem Wasser; der Wald brach unter den Tritten des Elefanten und des Rhinoceros; im Schlamme wälzte sich das Krokodil, und unter stacheligen Mimosen röchelte der schlafende Löwe. Mein Fuß war gefesselt, aber meine Seele eilte zu dir. Da donnerte die Büchse des Boeren; da erklangen die Speere der Hottentotten und Kaffern; schwarze Gestalten wanden sich im athletischen Ringen; Ketten rasselten; Sklaven heulten, und schwer beladen zog die Karawane nach Osten, das Schiff aber dem Westen zu. Im einsamen Duar erscholl der schmetternde Chor der Hariri; vom hohen Minaret rief der Mueddin zum Gebete; am Thore der Wüste knirschte der Sand zum Teyemmüm, und am fernen Bir beugten die Kamele ihre Kniee; die Söhne der Wüste wandten ihre Augen gen Aufgang, und der Dschellab sang sein frommes "Lubbekka Allah hümeh, hier bin ich, o mein Gott!"
Sei mir gegrüßt, du Land meiner Sehnsucht! Jetzt endlich sehe ich deine Küste winken, atme die Flut deiner reinen Atmosphäre und trinke den süßen Hauch deiner Düfte. Deine Zungen sind mir nicht fremd, doch will kein Angesicht mir entgegenlächeln und keine Hand die meinige erfassen, aber vom grünen Strande herüber neigen sich die Palmenwedel, und die Höhen strahlen im freundlichen Glanze mir zu ihr "Habakek, sei uns willkommen, o Fremdling!" –-
Ich hatte in Australien den Emu und das Känguruh, in Bengalen den Tiger und in den Prairien der Vereinigten Staaten den Grizzly und den Bison gejagt. Drüben im "far west" habe ich einen Mann getroffen, der sich ebenso wie ich aus reiner Abenteuerlust ganz allein in die "finstern und blutigen Gründe" des Indianergebietes gewagt hatte und mir bei allen Fährlichkeiten ein treuer Freund und Maat geblieben war. Sir Emery war ein Engländer vom reinsten Krystalle, Stolz, edel, kalt, wortkarg, kühn bis zur Verwegenheit, geistesgegenwärtig, ein starker Ringer, ein gewandter Fechter, ein sicherer Schütze und dabei voller Aufopferungsfähigkeit, wenn sein Herz einmal freundschaftlichen Regungen zugängig geworden war.
Neben diesen zahlreichen Vorzügen besaß der gute Sir Emery allerdings einige kleine Eigentümlichkeiten, die ihn sofort als Engländer charakterisierten und einen Fremden gar wohl abzustoßen vermochten; mir aber hatten sie keinerlei Störung, sondern im Gegenteile öfters eine kleine, allerdings heimliche und unschuldige Belustigung verursacht, und wir waren schließlich in New Orleans als die besten Freunde geschieden und hatten uns das Versprechen gegeben, uns wieder zu sehen. Das Rendezvous sollte – – in Algier stattfinden.
Daß wir uns für Algier, für Afrika entschieden, geschah allerdings nicht ohne Gründe. Mein braver Bothwell war ebenso wie ich das, was man einen "Weltläufer" zu nennen pflegt; er hatte fast alle Winkel der Erde durchkrochen, von Afrika aber im Süden nur die Kapstadt gesehen und im Norden das "Gharb", wie der Araber die Küstenstrecke von Marokko bis Tripolis nennt, bereist. Natürlich lag ihm da der Wunsch nahe, auch das Innere dieses Erdteiles, die Sahara, den Sudan, kennen zu lernen; über Dar-for und Kordofan wollte er dann auf dem Nile zur Civilisation zurückkehren. In Algier lebte ein Verwandter von ihm, bei dem er früher einmal längere Zeit gewesen war, um das Arabische kennen zu lernen. Dieser, ein Onkel mütterlicherseits, war ein Franzose und Chef eines Handelshauses, welches sehr fruchtbringende Beziehungen zu dem Sudan unterhielt. Bei ihm, einem Mr. Latréaumont, wollten wir uns treffen.
Was mich betrifft, so hatte ich mich während meiner Schülerzeit aus besonderer Liebhaberei auch mit der arabischen Sprache beschäftigt und während eines Aufenthaltes in Aegypten die darin erlangte, nicht gar zu große Fertigkeit möglichst zu vervollständigen versucht. Unser Zusammensein in der Prairie hatte treffliche Gelegenheit geboten, beiderseits in Uebung zu bleiben, und so ging ich mit dem Dampfer Vulkan, welcher der messagerie impériale gehörte, mit der beruhigenden Ueberzeugung von Marseille ab, daß es mir nicht schwer fallen werde, mich mit den Kindern der Sahara in ihrer Muttersprache zu verständigen.
Afrika galt uns, wie ja auch einem jeden andern, als das Land großer, noch ungelöster Rätsel, welche uns genug des Interessanten und wohl auch Gefährlichen bieten würden; doch erfüllte uns besonders Eins mit erwartungsvoller Begeisterung: wie wir den Jaguar, den grauen Bären und den Büffel getötet hatten, so wollten wir unsere Büchsen auch an dem schwarzen Panther und dem Löwen versuchen. Emery Bothwell hatte mit einer Art von Eifersucht die Berichte über Gérard, den kühnen Löwenjäger, vernommen und war fest entschlossen, sich auf alle Fälle einige Mähnenhäute zu holen.
Es war bereits ein Jahr seit unserer Trennung vergangen, doch kannte er die ungefähre Zeit meines Eintreffens, und da er ebenso wußte, daß ich mit dem französischen Dampfer kommen würde, so fühlte ich mich einigermaßen enttäuscht, als ich ihn beim Landen nicht unter der bunten Menge erblickte, welche auf dem Quai auf die Ausschiffung der Passagiere wartete oder in Booten herbeigeeilt kam, um Bekannte in Empfang zu nehmen.
Algier ist an der Westseite eines halbmondförmigen Golfes gelegen und kehrte dem Schiffe seine ganze Fronte zu. Die Stadt gewährte dem Beschauer ein sonderbares, fast geisterhaftes, ungeheuerliches Bild. Eine an dem grünen Gebirge aufsteigende, kreideweiße und ineinanderfließende Häusermasse ohne Dächer und Fenster starrte herab in den Hafen und sah beinahe aus wie ein Kalksteinfelsen, eine riesige Gipsgruppe oder ein Gletscher bei Sonnenbeleuchtung. Hoch oben auf dem Gipfel des Gebirges erschienen die Bastionen des Kaiserforts, und am Fuße desselben zogen sich außer der Festung Mersa Edduben verschiedene Fortifikationen hin.
Auf dem Quai bewegten sich Gruppen weißer Burnusgestalten, Neger und Negerinnen in den buntesten Kostümen, Frauen, vom Kopfe bis zum Fuße in weiße Wollenschleier gehüllt, Mauren und Juden in türkischer Tracht, Mischlinge aller Farben, Herren und Damen in europäischer Kleidung und französische Militärs in allen Graden und Abteilungen.
Ich ließ mein Gepäck nach dem Hotel de Paris in der Straße Bab-eI-Qued schaffen, restaurierte mich dort nach Bedürfnis und begab mich dann in die Straße Bab-Azoun, in welcher die Wohnung Mr. Latréaumonts lag.
Meine Karte wurde abgegeben, und sofort erschien der Chef unter der Thür des Zimmers, in welchem er arbeitete.
»Bienvenu, bienvenu monseigneur, aber nicht hier, nicht hier! Bitte, kommen Sie mit mir, damit ich Sie Madame und Mademoiselle vorstelle. Wir haben seit lange mit Schmerzen auf Sie gewartet!«
Dieser unerwartete Empfang mußte mich frappieren. Mit Schmerzen hatte man auf mich, den Unbekannten, gewartet? Aus welchem Grunde?
Latréaumont war ein kleiner, höchst beweglicher Mann, welcher die breiten, marmornen Stiegen erklommen hatte, noch ehe die Hälfte derselben unter mir lag. Das Haus war früher der Palast eines reichen Muselmannes gewesen, und die Vereinigung arabischer Architektur mit französischer Ausstattung brachte einen eigentümlichen Effekt hervor. Ich wurde durch den brillant eingerichteten Salon in das Familienzimmer geführt, eine Auszeichnung, welche mit dem Schmerze, mit welchem man mich erwartet hatte, in Verbindung stehen mußte.
Madame saß, in einem Romane blätternd, auf einem Taburett; sie war nach europäischem Schnitte in schwarze Seide gekleidet. Mademoiselle lag in einem sammetnen Diwan und trug das bequeme, malerische, morgenländische Gewand. Ein weites, seidenes Beinkleid reichte vom Gürtel bis zum Knöchel herab, während der nackte Fuß in blauen, goldgestickten Pantoffeln stak; feine Spitzeneinsätze, mit Gold und Silber durchwirkt, bedeckten Hals und Brust, und darüber trug sie eine sammetne türkische Jacke, die mit kostbaren Arabesken verziert und mit Reihen wertvoller Knöpfe besetzt war. Das dunkle Haar war von Gold- und Perlenschnüren durchflochten und in blaue und rosa Foulards eingebunden.
Beide Damen erhoben sich bei unserm Eintritte und konnten ihre Ueberraschung über den gesellschaftlichen faux pas kaum verbergen, welchen der Hausherr dadurch beging, daß er einem Fremden so ohne alle vorherige Anmeldung in diesem Raume Zutritt gestattete. Kaum aber hatten sie meinen Namen gehört, so machte diese Ueberraschung dem Ausdrucke unverhohlener Freude Platz.
Madame eilte zu mir heran und ergriff meine Hand.
»Welch ein Glück, Monseigneur, daß Sie endlich kommen! Unsere Sehnsucht nach Ihnen ist grenzenlos gewesen. Nun aber dürfen wir ruhiger sein, denn Sie werden unserm wackern Bothwell nacheilen und ihm helfen, Rénald zu finden!«
»Gewiß, Madame, werde ich dies thun, wenn Sie es wünschen, nur bitte ich Sie, mir zu sagen, wer Rénald ist und was für eine Bewandtnis es mit ihm und Emery hat, den ich hier zu treffen hoffte!«
»Sie wissen es noch nicht, wirklich noch nicht? Mon dieu, die ganze Stadt weiß es ja schon längst!«
»Aber, Blanche,« fiel Latréaumont ein, »magst du nicht bedenken, daß Monseigneur jedenfalls soeben erst mit der Messagerie angekommen ist?«
»Vraiment, das ist wahr! Sie können noch nichts wissen! Bitte, nehmen Sie Platz, und, Clairon, begrüße doch unsern Gast!«
Die junge Dame verneigte sich mit verbindlicher, beinahe respektvoller Höflichkeit, und ich wurde von der Mutter zu einem Sitze geleitet. Der Empfang war geheimnisvoll, und ich sah dem Kommenden mit wirklicher Erwartung entgegen.
»Sie finden uns in einer Situation,« begann Latréaumont, »welche uns gebietet, von den gewöhnlichen Formen abzusehen. Emery hat uns sehr viel, sehr viel von Ihnen erzählt, was bei seiner verschlossenen Weise für uns eine Veranlassung ist, Ihnen unser ganzes und vollständiges Vertrauen zu schenken.«
»Ja, unser ganzes und unerschütterliches Vertrauen, Monseigneur,« bekräftigte Madame, nach dem höflichen Gebrauche des Südens das Monseigneur an Stelle des einfachen Monsieur setzend. »Sie haben so viel Schlimmes mit unserm Neveu gewagt, daß Sie wohl auch nicht vor der Erfüllung unserer Bitte zurückschrecken werden.«
Ich mußte beinahe über die rasche Art und Weise lächeln, in welcher diese liebenswürdigen Leute über mich verfügten, die ich zwar noch nicht kannte, welche aber nach den Worten der Dame mit irgend einer Gefahr für mich verbunden sein mußte.
»Mesdames und Monseigneur, gestatten Sie mir, mich Ihnen für alles, was Sie von mir wünschen, zur Verfügung zu stellen!« bat ich.
»Eh bien! Nach dem, was wir von Ihnen hörten, konnten wir nichts anderes erwarten, obgleich ich Ihnen zu unserer Entschuldigung sagen muß, daß unsre Bitte keine selbständige ist, sondern uns von Bothwell diktiert wurde.«
»Liegt es in meiner Macht, so wird sie erfüllt!« antwortete ich einfach.
»Ich danke Ihnen, Monseigneur!« sprach Latréaumont.
»Wir haben einen großen Verlust, ein fürchterliches Unglück erlitten – – – «
»Ja ein fürchterliches, ein gräßliches Unglück, Monseigneur,« fiel Madame ein, indem ihr die Thränen aus den Augen brachen.
Auch Clairon, die Tochter, zog ihr duftendes Taschentuch, um ein sich hervordrängendes Schluchzen zu verbergen.
»Bitte, sprechen Sie, Madame!«
»Nein, ich kann es nicht erzählen; der Kummer raubt mir die Worte dazu!«
Die kleine, zarte Dame zeigte auf einmal eine Erschütterung, welche so tief war, daß sie mich beinahe beängstigte.
»Bitte, Monseigneur, lassen Sie mich hören!« bat ich darum Latréaumont.
»Kennen Sie die Imoscharh?« fragte er, fügte aber sofort in der lebhaften südlichen Weise hinzu: »Doch nein, Sie können sie ja nicht kennen, da Sie heute erst hier ankamen; aber ich sage Ihnen, diese Imoscharh oder Tuareg sind ein fürchterliches Volk, und die Karawanenstraße von Ain Salah nach Ahir, Dschenneh und Sakkatu, auf welcher ich meine Güter nach dem Sudan schicke, geht grad durch ihr Gebiet. Mein Haus ist das einzige in Algier, welches direkte Beziehung nach Timbuktu, Pullo, Haussa, Bornu und Wadai unterhält, und da wir fern von jeder Straße liegen und nur erst in Ain Salah oder Ghadames und Ghat Anschluß finden, so ist die Unterhaltung so unsicherer Handelsverbindungen oft mit schweren Opfern und Verlusten verbunden. Das Schwerste aber hat uns mit der letzten Kaffila (* Handelskarawane.) betroffen.«
»Sie wurde von den Tuareg überfallen?«
»Sie raten richtig, Monseigneur. Die Gum (* Raubkarawane.) griff sie auf und machte alles nieder. Nur einer entkam; er hatte sich gleich bei Beginn des Kampfes tot gestellt und brachte mir die Nachricht von dem fürchterlichen Schlage, der meine Familie betroffen hat.«
»Ihr Haus wird sich von demselben erholen, Monseigneur!«
»Mein Haus, ja, aber meine Familie nie! Der Verlust der Güter ist zu verschmerzen, aber Rénald, mein Sohn, mein einziger Sohn, befand sich bei der Kaffila und ist nicht zurückgekehrt!«
Jetzt konnten die Damen ein lautes Weinen nicht länger zurückhalten, und auch Latréaumont gab sich rückhaltslos seinem Schmerze hin, der ihn übermannte. Ich ließ sie einige Zeit gewähren und fragte dann:
»Erhielten Sie keine bestimmte Nachricht über sein Schicksal? Die Räuber der Wüste pflegen keinen Pardon zu geben.«
»Er lebt noch!«
»Ah! Das müssen Sie als ein Wunder betrachten, wenn nicht ein Irrtum vorliegt!«
»Er lebt sicher, denn wir erhielten Nachricht von ihm.«
»Durch wen?«
»Durch einen Tuareg, welcher von dem Aguid (* Anführer der Gum.) abgeschickt worden war. Er verlangte ein Lösegeld.«
»Welches Sie bezahlten?«
»Ich mußte; ich konnte nicht anders.«
»Worin bestand es?«
»In Waren, die ich nach der Oase Melrir zu schicken hatte.«
»Und Ihr Sohn?«
»Kehrte dennoch nicht zurück; die treulosen Räuber traten mit einer neuen Forderung auf.«
»Die Sie auch befriedigten?«
»Ja.«
»Und mit demselben Erfolge?«
»Kann ich noch nicht sagen. Als der zweite Bote kam, war Bothwell eben eingetroffen. Das war vor ungefähr zehn Monaten, und –- «
»So lange ist Sir Emery bereits in Afrika?« unterbrach ich ihn. »Er wollte erst im gegenwärtigen Monat nach Algier gehen!«
»Er hat sich nur einige Wochen in Altengland ausgeruht und dann der alten Reiselust nicht länger widerstehen können. Helas, er kam zur rechten Zeit!«
»Ich ahne das weitere, Monseigneur! Das Gouvernement mit all den ihm zu Gebote stehenden Mitteln konnte Ihnen nichts nützen. Sie waren auf sich selbst angewiesen, und da hat sich unser Englishman erboten, die Sache in die Hand zu nehmen.«
»So ist es!«
»Welche Maßregeln traf er?«
»Er ließ die verlangten Waren abgehen, folgte aber heimlich nach.«
»Ein kühnes Unternehmen! Mit welcher Begleitung reiste er?«
»Nur mit einem Führer und einem einzigen arabischen Diener.«
»Wohin ging der Weg?«
»Dieses Mal waren die Güter nach der Oase Lotr bestimmt.«
»Welche Waren wurden verlangt?«
»Fertige Burnus und Kopftücher, lange Flinten, Messer, Decken, weit ausgeschnittene Schuhe, wie sie die Araber zu tragen pflegen, und eine Menge für uns allerdings beinahe wertlose Zeltgegenstände.«
»Ich sehe, die Gum will sich eine vollständige Ausstattung erpressen und wird dann dennoch Ihren Sohn nicht ausliefern. Der Araber hält es für keine Sünde, einen Ungläubigen zu betrügen, und muß, wenn man ihn sicher haben will, bei gewissen empfindlichen Punkten gefaßt werden. Aber, Monseigneur, Emery hat sämtliche Waren zeichnen lassen?«
»Woher wissen Sie das?« fragte er überrascht.
»Ich hörte es von niemand. Er handelt hier als amerikanischer Westmann, und von dieser Seite kennen wir uns genau. Wer unter den Indianerstämmen des wilden Westens jahrelang und in jedem Augenblick in Todesgefahr schwebte, hat sich an Scharfsinnigkeiten gewöhnt, welche ihm wohl auch in der Sahara von Nutzen sein können. Wie war das Zeichen?«
»Es bestand in den Anfangsbuchstaben meines Namens André Latréaumont, also in einem A. L. Ich ließ es den Kolben und Griffen der Flinten und Messer einbrennen und nebst einer Arabeske dem Kragenteile der Burnus und den Ecken der Kopftücher und Decken einsticken.«
»Emery wird die Räuber daran erkennen. Haben Sie keine Nachricht von ihm?«
»Eine sehr bestimmte. Ich erhielt sie vor zwei Wochen und erwarte seitdem sehnlichst Ihre Ankunft, denn sie bezieht sich meist auf Sie, Monseigneur.«
»Ich soll ihm folgen, nicht?«
»Allerdings. Hier sind die Zeilen, welche er von Zinder aus sandte!«
Das Papier lag auf dem Tische, ein Zeichen, wie oft während dieser vierzehn Tage die Augen der drei Personen auf demselben geruht hatten. Bothwell schrieb nur wenige Worte. Er hatte zwar noch keinen größern Erfolg zu verzeichnen, bat aber dennoch, die Hoffnung nicht sinken zu lassen, und knüpfte hieran die Bitte, mich ihm nach meiner Ankunft sofort nachzusenden. Das Papier enthielt weder eine Orts- noch eine Zeitbestimmung.
»Wer brachte diesen Brief?« erkundigte ich mich.
»Ein Araber vom Stamme der Kubabisch, welcher den Befehl hat, auf Ihre Ankunft zu warten und Ihnen als Wegweiser zu dienen.«
»Wo befindet er sich?«
»Hier im Hause. Befehlen Monseigneur, ihn rufen zu lassen?«
»Ich bitte darum!«
Ich mußte mich im stillen ein Glückskind nennen, denn kaum hatte mein Fuß die afrikanische Erde betreten, so wurde ich in eine Angelegenheit gezogen, welche mir eine reiche Aussicht auf die interessantesten Erlebnisse eröffnete. Latréaumont klingelte nach dem Araber, und die Damen vergaßen in Erwartung der kommenden Verhandlung für kurze Zeit den Schmerz, welcher sie bewegte.
Während meiner Anwesenheit in Aegypten hatte ich einen Ausflug nach Siut, Dakhel, Khardscheh und Soleb bis zur Oase Selimeh unternommen und war auf demselben mit einigen Kubabisch zusammengetroffen, die ich als tapfere Krieger und tüchtige Führer kennen gelernt hatte. Daher sah ich der Unterredung mit dem Kubbaschi (* Singular von Kubabisch.) nicht ohne ein auch persönliches Interesse entgegen.
Er trat ein. Die Araber sind nur selten über Mittelgröße und meist von schlanker, hagerer Gestalt; dieser Mann aber war fast ein Riese zu nennen. Er war so hoch und breit gewachsen, daß mir beinahe ein Ausruf des Erstaunens entfahren wäre, und sein langer, dichter Vollbart, verbunden mit dem Umstande, daß er bis unter die Zähne in allen möglichen Waffensorten stak, gab ihm ein höchst martialisches Aussehen. Das war jedenfalls ein Begleiter, wie ich mir keinen bessern wünschen konnte, denn schon sein bloßer Anblick mußte dem Feinde Furcht einjagen.
Er verbeugte sich mit über die Brust gekreuzten Händen bis beinahe herab zur Erde, und mit tiefer, dröhnender Baßstimme erklang sein »Sallam aaleikurn, Friede sei mit Euch!«
»Marhaba, du sollst willkommen sein!« antwortete ich ihm. »Du bist ein Sohn der tapfern Kubabisch?«
Ein stolzer Blick seines dunklen Auges blitzte mir entgegen.
»Die Kubabisch sind die berühmtesten Kinder des großen Abu Zett, Sihdi (* Herr.); ihr Stamm umfaßt mehr als zwanzig Ferkah, und der tapferste derselben ist En Nurab, zu dem ich gehöre.«
»En Nurab? Ich kenne ihn; sein Scheikh ist der weise Fadharalla-Uëlad-Salem, neben dessen Stute ich geritten bin.«
»Bismillah, das ist gut, Sihdi, denn nun darf ich deine Stimme hören, obgleich du ein Ungläubiger bist aus dem armen Lande Frankhistan!«
»Wie ist dein Name?«
»Mein Name ist schwer für die Zunge eines Inglese.
Er lautet Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli.«
Ich mußte lächeln. Hier stand einer jener Araber vor mir, welche ihrem einfachen Namen den ganzen Stammbaum beifügen, teils um ihre Ahnen zu ehren, meist aber um auf den Hörer einen Eindruck zu machen. Ich entgegnete daher:
»Hassan-Ben-Abulfeda-Ibn-Haukal al Wardi-Jussuf-Ibn-Abul-Foslan-Ben-Ishak al Duli. Die Zunge eines Inglese vermag einen Namen auszusprechen, der, wenn er niedergeschrieben wird, von Bengasi bis nach Kaschenah reicht; dennoch aber werde ich dich nur Hassan nennen, weil Mohammed sagt: "Sprich nicht zehn Worte, wo ein einziges genügt!" «
»Mein Ohr wird verschlossen sein, wenn du mich Hassan rufst, Sihdi. Die mich kennen, nennen mich Hassan el Kebihr, Hassan den Großen; denn du mußt wissen, daß ich Djezzar-Bei, der Menschenwürger, bin!«
»Allah akbar, Gott ist groß; ihn kennt jede Kreatur, aber von Djezzar-Bei, dem Menschenwürger, habe ich noch nie ein Wort vernommen! Wer hat dich so genannt?«
»Ein jeder, der mich kennt, Sihdi!«
»Und wie viel Menschen hast du bereits erwürgt?«
Er schlug verlegen die Augen zu Boden.
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